Auch am zweiten Tag der Seminarwoche wurden wir von Sonnenschein und einem grandiosen Ausblick vom Balkon auf die umliegenden Berge und Blumenhäuser Alpbachs geweckt.
Der steile Shortcut-Weg zur Hauptschule, bei dem man sich nie sicher ist, ob er wirklich „shorter“ ist als der reguläre Weg und ob eigentlich das Runter- oder Raufgehen anstrengender ist, führte uns zu unserem ersten Seminar des Tages. In einem der stickigen, mit rauchenden Köpfen gefüllten Klassenzimmer lernte ich in „Artificial Intelligence and Ethics“ einiges, das zum Nachdenken anregt. Zum Beispiel wären nur die jährlichen Zinsen auf das Vermögen aller Milliardäre dieser Welt ausreichend, um die Sustainable Development Goals zu finanzieren und damit Armut, Klimawandel usw. zu bekämpfen. Außerdem kam die interessante Frage auf, „Was, wenn wir das ganze Geld, das wir in die Entwicklung von Artificial Intelligence stecken, stattdessen in human development investieren würden?“.
Trotz Kaffee im Übermaß am Vormittag waren wir schon mittags wieder müde und verbrachten die gemeinsame Mittagspause gemütlich in der Unterkunft mit Fernsehen und Essen. Am Nachmittag durfte ich dann mit vier weiteren Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern das Seminar „Reproductive Rights“ besuchen, wo wir Einblick in Verhütungsmethoden, Abtreibungen und natürliche Fruchtbarkeit erhielten – Themen, mit denen wir uns daheim leider kaum beschäftigen. Es gab viel Diskussionspotenzial und noch mehr Fragen von allen Seiten. Der Vortragende Dr. Christian Fiala meinte im Rahmen einer dieser Diskussionen sogar, dass es in Österreich zirka 10.000 Abtreibungen weniger geben würde, wenn Verhütungsmittel von der Krankenversicherung abgedeckt wären – warum sind sie es also nicht?
Abends waren wir alle im Stress, weil wir in nur zwei Stunden einkaufen, kochen, essen und uns in Schale für den anstehenden International Evening werfen sollten. Pünktlich um 20:00 Uhr fanden wir uns – zwar ohne Essen, da es nicht rechtzeitig fertig wurde, aber fesch im Dirndl – im Kongresszentrum ein und freuten uns auf acht Performances. Zuvor aber wurden uns diverse Statistiken präsentiert, die die Diversität und Internationalität von uns unterstreichen sollten. So gibt es dieses Jahr 688 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 92 Ländern am Forum Alpbach, die 114 Sprachen sprechen, zur Hälfte aus Männern und Frauen bestehen und sich verschiedenen Religionen zugehörig fühlen. Ein Teilnehmer gab zum Beispiel an, bei der „Church of the Flying Spaghetti Monster“ Mitglied zu sein. 53,6% aller Stipendiatinnen und Stipendiaten sind bereits mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ohne zu bezahlen und nahezu alle – das wohl homogenste Ergebnis des Abends – lieben Pizza. Die anschließenden Aufführungen waren kreativ, bewegend und begeisternd. Es wurde beispielsweise ein Tanz zum Thema „Love and Sexual Orientation“ dargeboten und ausnahmslos alle waren mitgerissen von einem tollen Beitrag zu Friede und Krieg.
Danach ließen wir den Abend – wie könnte es anders sein – im legendären Jakober mit viel Tschakadulli (oder Dschakadulli, Chackaduly, Tschackaduli, …), guter Musik und teils tiefgründigen, teils lustigen Gesprächen untereinander aber auch mit Einheimischen, anderen Österreichern und vielen Internationals ausklingen.
von Eva Karlinger