Dichtes Programm

Ein weiterer Tag in Alpbach beginnt und beim Frühstück macht sich Be/-Verwunderung breit, wie wir es schaffen, mit dem Tempo und der Intensität von Alpbach mitzuhalten. Schließlich gibt es ja nicht sowas wie ein Studium „Alpbachologie“, wo man für diese 10 Tage trainiert werden würde. Z.B. sitzt man bis in die Nacht noch auf ein paar Bier im Jakober mit dem Chef der europäischen Impfstoffbeschaffung und am nächsten Morgen schon wieder im Panel und lauscht einer interessanten Diskussion zwischen drei Außenministern aus Ländern des Nahen Ostens. Wir kommen zum Schluss, dass wir diesen Schlafentzug mit aber zur gleichen Zeit bloß geringem Aufmerksamkeitsverlust bloß aufrechterhalten können, weil unsere Aufgeregtheit unserem Körper immer Adrenalin zur Verfügung stellt. Zugegeben, diese Hypothese bedarf einer randomisierten Feldstudie.

Der erste Programmpunkt war ein Plenum um 9:00, nämlich eine Videokonferenz zwischen dem kosovarischen und nordmazedonischen Premierminister und Miroslav Lajcak. Letzterer war der „EU Special Representative for the Belgrade-Pristina Dialogue and other Western Balkan regional issue“. Vor allem einprägend waren die Statements aus Nordmazedonien, bekanntlich ja der Musterschüler des Westbalkans. Das Land hatte vorbildlich Reformen umgesetzt sowie international auf Dialog und Konfliktlösungen gesetzt – Stichwort: Verfassungs- und Namensänderung. Jedoch gelang es zum dritten Mal nicht die nötige Einstimmigkeit im europäischen Rat zu schaffen, um einen Start von Beitrittsverhandlungen zu erwirken. Der nordmazedonische Premierminister bekräftigte noch einmal, wie wichtig dies für sein Land wäre, damit die Bürger*innen nicht die Motivation verlieren und dass somit auch Veränderungen in Zukunft vorangetrieben werden können. Das letzte Veto legte übrigens Bulgarien ein: Hierbei geht es u.a. um den Konflikt, ob Mazedonisch eine eigene Sprache ist.

Gleich im Anschluss ging es auf eine Wanderung mit der EU-Kommissarin für „Financial Stability, Financial Services and the Capital Markets Union“ Mairead McGuinness und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Da es, wie schon die letzten Tage, regnete, wurde aus der Wanderung nichts und es gab einen Shuttle-Transport auf die Hütte. Dies hatte auch seine positive Seite – nämlich, dass mehr Zeit für Gespräche blieb. Ich bin mir sicher, dass schon in anderen Blogeinträgen die einprägende Persönlichkeit der Kommissarin McGuinness beschrieben wurde: Eine Vollblut-Europäerin, eine Politikerin, bei der jeder Satz sitzt und auch etwas aussagt. Wenn sie auf der Bühne ist, dann hält sie nicht einfach nur ein Impulsreferat während einer Diskussion, sondern das Publikum und andere am Podium werden eingebunden. So war es auch auf der Hütte. Das Gespräch drehte sich vor allem um persönliche Fragen: Z.B. wie sehr Zufall im Erfolg eine Rolle spielt und ihre Erfahrungen als Frau in der Politik. Weiters war es sehr überraschend für mich, dass McGuinness und Köstinger eine langjährige Freundschaft als Sitznachbarinnen im EU-Parlament verbindet. Gerade diese persönliche Ebene machte dieses Event so spannend.

Abgerundet wurde der Tag mit nicht weniger spannenden Veranstaltungen, wie einer Diskussion über die Tragfähigkeit von unseren Schulden mit EU-Finanzministern und dem Finanzminister Blümel. Hervorzuheben ist auch eine sehr interessante Kunstaktion im Hauptsaal, wo das Publikum mit Kohlestücken Lebensmittel handeln konnte. Am Abend fand der Magenta-Empfang statt, welcher zugegebenermaßen nicht ganz in das Konzept von Alpbach passte, da etwa zwischen VIP-Bereich und „normalem“ Bereich unterschieden wurde, sodass eine der wichtigsten Eigenschaften Alpbachs, nämlich das Zusammenkommen unterschiedlichster Menschen, nicht eingehalten werden konnte.

Die Zeit verflog durch viele interessante Gespräche wie im Flug und wir kamen schon wieder sehr spät ins Bett. Am nächsten Tag ist ein Frühstück mit der Landwirtschaftsministerin Köstinger um 8:00 angesetzt, womit wir wieder beim Anfang des Blogeintrags wären…


von Sebastian Redl