Friedrich Merz und der Führungsanspruch über die „free world“

Alpbach ist bekannt dafür österreichische Spitzenpolitiker zu präsentieren. Wenn es dann aber andere Kaliber vom verehrten deutschen Nachbarn nach Alpbach schaffen, ist die Plätzeanzahl begrenzt und diskret umkämpft. Alle wollen dabei sein, aber keiner will es zugeben.

Friedrich Merz gab uns die Ehre nach Absagen in den letzten Jahren. Ehemaliger Kanzlerkandidat, Ex-CDU-Vorsitzender und amtierender Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Entität eines der größten Asset Managers namens BlackRock.

Begonnen hat der Vortrag in klassisch österreichischer Manier. Ist Herr Merz studierter Jurist, wurde ihm natürlich kurzerhand der Doktor-Titel im titelverliebten Österreich verliehen und mit Diesem aufgerufen. Um mögliche Schicksale wie derer von Minister Guttenberg oder Schavan im Keim zu ersticken, musste Herr Merz unter Gelächter seine ersten Worte der Aufklärung dieses Missverständnisses widmen.

Es folgte ein Vortrag über eine Vielfalt von Themen des begabten Rhetorikers. Zunächst machte Herr Merz klar, dass gerade ein neues und historisches Zeitalter angebrochen ist. Wir lebten nämlich nun in einer Zeit in der die USA ihren moralischen Führungsanspruch über die freie Welt nicht mehr besäßen. Diese Entwicklung hätte schon knapp vor der Wahl Trumps eingesetzt und sich nun mit seiner Präsidentschaft manifestiert. Die spannendste Anekdote des Vortrags war seine Beobachtung eines Gesprächs zwischen Obama und Merkel kurz nach der Wahl Trumps. Mit amerikanischem Pathos rief der scheidende Präsident die amtierende Bundeskanzlerin zu Folgendem auf: „you must be the leader of the free world now.“

Merz ordnet die außenpolitische Rolle Deutschlands jedoch fundamental anders ein und hält einen deutschen Führungsanspruch für unmöglich. Er hält es mit den Worten von Ex-US-Außenminister Henry Kissinger: „Germany is too large for Europe and too small for the world“.

Zum Ende seines Vortrags wurde klar, dass Merz seine politischen Ambitionen noch nicht aufgegeben hat. Ganz im Gegenteil. Er stünde bereit im Team AKK, Merkel und von der Leyen eine Rolle zu spielen.

Gegeben seines selbstbewussten Auftritts in Alpbach und der hohen Beliebtheit unter deutschen Wählern, bezweifelt der Autor dieser Zeilen, dass die obige Beschreibung „ehemaliger Kanzlerkandidat“ die bemerkenswerteste bleiben wird. Zum Abschluss kann man hier wagen, ihn den wartenden Kanzlerkandidaten zu nennen.

Friedrich Merz und Gustav Dressler. Gastgeber ist das Land Niederösterreich.

von Paul Stockert